Stadtkirche: Ein Glockenton fliegt durch die Nacht

Veröffentlicht am 09.03.2016
in Ludwigsburger Kreiszeitung

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Ein Glockenton fliegt durch die Nacht,
als hätt er Vogelflügel, er fliegt in römischer
Kirchentracht wohl über Tal und
Hügel.“ Was bei Christian Morgenstern
als gereimte Jagd des Bam nach der Glockentönin
Bim daherkommt (die sich bedauerlicherweise
Bum ergibt), hat für
manche Nachbarn von Kirchen wenig
Poetisches: Alle Viertelstunde, klagt Anwohnerin
Tatjana Gieloff, läutet es von
der Stadtkirche, zur vollen Stunde dann
noch mit tieferem Klang. „Auch bei geschlossenen
Fenstern ist das Läuten sehr
laut.“ Anwohner, die sie angesprochen
habe, empfänden den Glockenschlag
nachts ebenfalls als störend.
Für Pfarrer Wolfgang Baur ist das Läuten
„seiner“ Glocke, die erstmals 1726
zum 50. Geburtstag von Eberhard Ludwig
von der Stadtkirche über die Stadt klang,
dagegen reine Poesie. Das eingestrichene
c auf 2150 Kilogramm ist für ihn schlicht
ein schöner Klang. Er erinnert an die Tradition:
„Wir wollen das fortführen.“
Allerdings sei vor etwa zehn Jahren bereits
das Mitternachtsläuten reduziert
worden. Früher gab es zwölf Stundenschläge
vom Süd- und zwölf vom Nordturm,
„das war dann doch ein bisschen
viel“. Jetzt schlägt nur noch die Eberhard-
Ludwig-Glocke zwölfmal. Die hängt
als einzige von sieben Glocken im Nordturm
und ist zuständig für die tieferen
Stundenschläge und auch im Geläut mit
dabei (siehe Kasten). Zwei kleinere Glocken
im Südturm, laut Baur in der Gemeinde
„Bimbam-Glocken“ genannt,
werden für den Viertelstunden- und den
Halbstundenschlag eingesetzt.
Die Glocken stören? Auch der evangelische
Kirchenpfleger Lothar Rücker ist erstaunt:
Aus keiner der sieben Kirchen der
Gesamtkirchengemeinde kenne er solche
Beschwerden – er nennt neben der Stadtkirche
die Friedenskirche, die Erlöserkirche
in der Weststadt und die Kirchen in
den Stadtteilen. „Für die meisten teilen
die Glocken ganz natürlich den Rhythmus
des Tages ein.“ Auch bei der katholischen
Kirchenpflege eher Verwunderung:
Bisher sei das Glockenläuten kein Anlass
für Beschwerden in den zehn Kirchen gewesen,
so Kirchenpfleger Jörg Huber.
Die katholische Dreieinigkeitskirche
am Marktplatz steht übrigens nicht im
Fokus der lärmgeplagten Anwohner. Dort
gibt es keine Uhr, die Schläge verteilen
könnte, auch nicht nachts. Hier wird nur
zum Gottesdienst und Gebet geläutet. In
St. Johann allerdings, wo Pfarrer Sven
Salwiczek zuständig ist, der auch die
Dreieinigkeitskirche betreut, wird nachts
nicht mehr geläutet.